Unangepasste Medikamente für Senioren - Ein Fall für die Apotheke

Eine neue Studie der Universität Zürich zeigt, dass fast ein Viertel der betagten Patienten  Medikamente erhalten, die für die Behandlung nicht geeignet sind und daher potentiell ein Risiko darstellen. Auch Wechselwirkungen zwischen den Medikamenten werden übersehen, sodass das Risiko gefährlicher Nebenwirkungen steigt. Apotheker als Fachleute für Heilmittel haben das nötige Handwerkszeug, um solche Fälle zu vermeiden.

Der Körper verändert sich im Alter. Der Körperwasseranteil sinkt, sodass sich verabreichte Medikamente auf ein kleineres Volumen verteilen. Die Tätigkeit von Nieren und Leber nimmt ab, sodass Arzneistoffe langsamer abgebaut und ausgeschieden werden. Das zentrale Nervensystem reagiert oft empfindlicher, sodass Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Benommenheit und Schwindel schneller auftreten, was seinerseits zu Stürzen oder Orientierungslosigkeit, bis hin zum Delir führen kann.

Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass Medikamente bei Senioren grundsätzlich vorsichtiger dosiert werden müssen. Zudem müssen Substanzen, die verstärkt zu oben genannten Nebenwirkungen führen, gemieden werden. Interaktionen müssen wie bei jeder Medikation mit mehreren Arzneimitteln beachtet werden.

Im Auftrag der Akademie der medizinischen Wissenschaften wurden Daten von 50'000 Patienten mit Managed Care-Versicherung über 65 Jahre für ein Jahr ausgewertet. 22,5% von ihnen erhielten mindestens ein potentiell ungeeignetes Medikament. Das Risiko einer Spitaleinlieferung ist mit einem solchen Medikament schon um 13% erhöht, bei drei und mehr steigt das Risiko sogar um 63%.

Apothekerinnen und Apotheker sind hier Schlüsselfiguren zur Vermeidung unerwünschter Ereignisse. Als Sicherheitsnetz für Ärzte und Patienten überprüfen sie die Verschreibungen auf Dosierung und Wechselwirkungen unter den verschiedenen Medikamenten. Sie dienen zudem als Anlaufstelle für den Patienten, wenn sich Nebenwirkungen als Problem darstellen oder die Handhabung der Medikamente generell Mühe bereitet. Hier können wichtige Massnahmen ergriffen werden und nötigenfalls mit dem Arzt Alternativen besprochen werden. So managen Apotheker Medikationen, die teils mehr als zehn verschiedene Mittel umfassen.

In der Westschweiz geht man noch weiter. Im Modell der Qualitätszirkel orientieren Apotheker Ärzte in einer Gruppe regelmässig über aktuelle Leitlinien der Medikamentenverschreibung, sodass Konsense gefasst werden können, welche Wirkstoffe bevorzugt zu verordnen sind. Auf diese Weise werden ungeeignete Therapien schon auf Ebene der ärztlichen Verschreibung vermieden.

Durch die kantonale Regelung zur Medikamentenabgabe haben viele Patienten gar keinen Kontakt oder Zugang zur Expertise eines Apothekers. Diese Lücke gilt es zu schliessen. Die Studie kommt zwar zum Schluss, dass die Verschreibung von ungeeigneten Medikamenten in Hausarzt-Modellen tendenziell geringer ausfalle, dennoch ist aufgrund der aktuellen Resultate klar, dass auch Apotheker fester Bestandteil der integrierten Versorgung sein müssen, wenn man echte Qualität in der Medikation erreichen will. Medikamentöse Therapie ist ein hochkomplexer Zweig der Medizin und sollte mit entsprechender Seriosität betrieben werden. Dies muss auch in der zukünftigen Ausgestaltung von Versicherungsmodellen berücksichtigt werden.
Quelle:
RESEARCH ARTICLE
Potentially Inappropriate Medication Use in Older Patients in Swiss Managed Care Plans: Prevalence, Determinants and Association with Hospitalization
Oliver Reich, Thomas Rosemann, Roland Rapold, Eva Blozik, Oliver Senn, PlosOne August 2014 | Volume 9 | Issue 8 | e105425